Die ungarische Philosophin und Soziologin Agnes Heller ist gestern Abend im Alter von 90 Jahren im Plattensee-Bad Balatonalmadi gestorben. Das bestätigte die Ungarische Akademie der Wissenschaften (MTA), deren Mitglied sie war und in deren Ferienheim sie zu ihrem Todeszeitpunkt Urlaub machte. Nach Angaben des Portals „444.hu“, das sich auf Augenzeugen berief, schwamm sie in den See hinaus und kehrte nicht mehr zurück.

Heller war eine Schülerin des ungarischen marxistischen Philosophen Georg Lukacs (1885–1971). Nach dem ungarischen Volksaufstand von 1956 stellte sie den real existierenden Sozialismus – der die sowjetische Herrschaft über Osteuropa und damit ihre Heimat Ungarn einschloss – infrage und wurde zur Dissidentin.
Nachfolgerin von Arendt an New School for Social Research
1977 emigrierte sie nach Repressionen des damaligen kommunistischen Regimes nach Australien. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York.
Nach der demokratischen Wende 1989 kehrte sie nach Ungarn zurück. Sie wurde zu einer wichtigen und streitbaren Stimme eines modernen Liberalismus. Das brachte sie in entschiedene Gegnerschaft zur Regierung des seit 2010 amtierenden rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Medienkampagnen der Regierungspresse, die ihr die Verschwendung von Forschungsgeldern vorwarfen, aber auf keinen Tatsachen beruhten, prallten an ihr ab.
Auf Deutsch erschienen von ihr unter anderem „Theorie der Gefühle“ (1980), „Der Mensch der Renaissance“ (1988), „Der Affe auf dem Fahrrad. Eine Lebensgeschichte“ (1999) und zuletzt – in diesem Jahr – „Paradox Europa“.
red, ORF.at/Agenturen